Im Verhältnis einer Ehefrau als Internetanschlussinhaberin zu ihrem
Ehemann als überwiegendem Nutzer eines solchen Anschlusses bestehen keine vergleichbaren
Kontrollpflichten wie im Verhältnis der Eltern zu ihren – insbesondere
minderjährigen – Kindern oder anderen Hausgenossen. Grundsätzlich trifft den Internet Anschlussinhaber keine Prüf- und Kontrollpflicht seines Ehegatten.
Redaktioneller Leitsatz
Redaktioneller Leitsatz
Urteil des Oberlandesgericht Köln vom 16.05.2012, Az.: 6 U 239/11
Tenor:
Auf die
Berufung der Beklagten wird das am 30.11.2011 verkündete Urteil der 28.
Zivilkammer des Landgerichts Köln – 28 O 482/10 – abgeändert:
Die Klage
wird abgewiesen.
Die Kosten
des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Dieses
Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision
wird zugelassen.
G
r ü n d e
I.
Die Klägerin
ist Inhaberin ausschließlicher Nutzungsrechte an einem Computerspiel, das der
Spielbeschreibung zufolge First-Person-Shooter-Action mit Taktikelementen
kombiniert. Ein von ihr mit der Erfassung von Urheberrechtsverstößen
beauftragtes Unternehmen ermittelte, dass Dateien mit funktionsfähigen
Versionen des Computerspiels am 04.11.2009 um 7:48 Uhr und am 11.11.2009 um
7:54 Uhr innerhalb von Peer-to-Peer-Netzwerken unter zwei IP-Adressen
öffentlich zugänglich gemacht wurden, die gemäß der vom Landgericht Köln
gestatteten Auskunft der Internetserviceproviderin jeweils dem damaligen
Internetanschluss der Beklagten zugewiesen waren. Diese widersprach ihrer auf
den Vorfall vom 04.11.2009 bezogenen Abmahnung durch die Klägerin vom
03.03.2010 unter dem 14.03.2010. Gegenüber der im Juli 2010 erhobenen Klage auf
Unterlassung und Schadensersatz einschließlich Erstattung von Abmahnkosten
hat sie sich damit verteidigt, dass auch ihr am 21.04.2010 verstorbener
damaliger Ehemann den Internetanschluss genutzt und sich um alle damit zusammenhängenden
Fragen gekümmert habe. Vor seinem Tod habe sie den Sachverhalt mit ihm nicht
mehr erörtern können; danach habe sie auf dem Rechner keine auf die –
bestrittene – Rechtsverletzung hindeutenden Dateien gefunden. Mit dem
angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Beklagte nach ihrem eigenen
Vorbringen als Täterin der Urheberrechtsverletzung vom 11.11.2009 angesehen und
antragsgemäß verurteilt. Dagegen richtet sich ihre mit fehlerhaften
Feststellungen des Landgerichts begründete, den Klageabweisungsantrag weiter
verfolgende Berufung. Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.
II.
Die
zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
1. Im
Ergebnis zutreffend hat das Landgericht allerdings angenommen, dass das Computerspiel,
an dem die Klägerin exklusive Nutzungsrechte (§ 31 Abs. 3 UrhG) innehat, im
November 2009 zweimal über den Internetanschluss der Beklagten in sogenannten
Internettauschbörsen (Peer-to-Peer-Netzwerken) den Tauschbörsenteilnehmern zum
Herunterladen angeboten und öffentlich zugänglich gemacht wurde (§ 19a UrhG).
Weil das
gesamte erstinstanzliche Vorbringen der Beklagten ihre Absicht erkennen lässt,
mit den gleichen Argumenten wie gegenüber der Rechtsverletzung vom 04.11.2009
auch den erst im weiteren Prozessverlauf geltend gemachten Urheberrechtsverstoß
vom 11.11.2009 in Abrede zu stellen, also insbesondere die Zuverlässigkeit der
Ermittlungen anzuzweifeln und – angesichts der Verwaltung und überwiegenden
Nutzung ihres Internetanschlusses durch ihren wenige Monate später verstorbenen
damaligen Ehemann – auf ihre fehlende Kenntnis von dem behaupteten Verstoß zu
verweisen, greift zwar keine Geständnisfiktion (§ 138 Abs. 3 ZPO). Die Begehung
der Rechtsverstöße über den Internetanschluss der Beklagten steht jedoch fest,
nachdem das Anbieten desselben Computerspiels innerhalb einer Woche unter zwei
verschiedenen von der Klägerin ermittelten dynamischen IP-Adressen jeweils
derselben zuvor unbekannten Anschlussinhaberin zugeordnet wurde. Denn dass es
kurz nacheinander zweimal zu Fehlern bei der Erfassung und Zuordnung gekommen
sein könnte, liegt so fern, dass Zweifel an Richtigkeit der
Anschlussidentifizierung schweigen (§ 286 ZPO).
2. Es steht
indes nicht fest und könnte selbst nach dem Vorbringen der Klägerin der
Entscheidung nicht zu Grunde gelegt werden, dass gerade die Beklagte für die
über den Internetanschluss begangenen Rechtsverletzungen verantwortlich ist und
deshalb auf Unterlassung oder Schadensersatz haftet (§ 97 Abs. 1 und 2 UrhG).
a) Die
Ansprüche des verletzten Rechteinhabers richten sich in erster Linie gegen den
Verletzer, also denjenigen, der die Rechtsverletzung als Täter – selbst,
gemeinsam mit anderen oder mittelbar über unselbständig handelnde Dritte –
begeht. Für ein solches täterschaftliches Handeln der Beklagten hat die
Klägerin keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dargelegt und unter
Beweis gestellt.
aa) Die
Täterschaft des beklagten Anschlussinhabers ist als anspruchsbegründende
Tatsache nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen vom Kläger darzulegen
und gegebenenfalls zu beweisen. Zu seinen Gunsten gelten dabei gewisse
Beweiserleichterungen: Wird ein geschütztes Werk von einer IP-Adresse aus
öffentlich zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten
Person zugeteilt ist, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese
Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist; daraus ergibt sich eine
sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, der geltend macht, eine andere
Person habe die Rechtsverletzung begangen (BGHZ 185, 330 = GRUR 2010, 633 = WPR
2010, 912 [Rn. 12] – Sommer unseres Lebens; vgl. Senat, GRUR-RR 2010, 173
[174]; Urt. v. 23.03.2012 – 6 U 67/11). Eine Umkehr der Beweislast ist damit
aber ebenso wenig verbunden wie eine über seine prozessuale Wahrheitspflicht
und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehende Verpflichtung des
Anschlussinhabers, dem Gegner alle für seinen Prozesserfolg benötigten
Informationen zu verschaffen (vgl. BGH, NJW 2007, 155 [156] m.w.N.; Zöller /
Greger, ZPO, 29. Aufl., vor § 284 Rn. 34; Prütting / Gehrlein / Laumen, ZPO, 4.
Aufl., § 286 Rn. 73). Steht der Beweisführer – wie der Rechteinhaber in Bezug
auf Vorgänge in der Sphäre des Anschlussinhabers – außerhalb des für seinen
Anspruch erheblichen Geschehensablaufs, kann vom Prozessgegner (zur Vermeidung
der Geständnisfiktion aus § 138 Abs. 3 ZPO) im Rahmen des Zumutbaren das
substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsache unter Darlegung der für das
Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden (vgl. BGH, NJW
2008, 982 [Rn. 16]; OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 31.08.2010 – 11 U 7/10 [Rn.
31 bei juris]). Diese sekundäre Darlegungslast geht aber in der Regel nicht so
weit, dass der Anschlussinhaber durch eigene Nachforschungen aufklären müsste,
wer Täter der Rechtsverletzung ist (vgl. OLG Hamm, MMR 2012, 40).
Erst recht
obliegt dem Anschlussinhaber nicht der Beweis des Gegenteils in dem Sinne, dass
er sich bei jeder über seinen Internetzugang begangenen Rechtsverletzung vom
Vorwurf der täterschaftlichen Begehung entlasten oder exkulpieren muss. Die
oben erwähnte – tatsächliche – Vermutung seiner Verantwortlichkeit beruht
nämlich (mangels einer dem § 831 Abs. 1 S. 2 BGB oder § 18 Abs. 1 S. 2 StVG
entsprechenden Regelung) nicht auf einer gesetzlichen Wertung, sondern wie der
(nach herrschender Meinung nicht auf individuelle Willensentschlüsse
anwendbare) Beweis des ersten Anscheins (vgl. Zöller / Greger, a.a.O., Rn. 29,
31; Prütting / Gehrlein / Laumen, a.a.O., Rn. 25 ff., 37 m.w.N.) auf der
Annahme eines der Lebenserfahrung entsprechenden Geschehensablaufs, wonach in
erster Linie der Anschlussinhaber seinen Internetzugang nutzt, jedenfalls über
die Art und Weise der Nutzung bestimmt und diese mit Tatherrschaft bewusst kontrolliert.
Diese Annahme wird erschüttert und die Vermutungsgrundlage beseitigt, wenn
Umstände feststehen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen
Geschehensablaufs – nämlich der Alleintäterschaft eines anderen Nutzers des
Internetanschlusses – ergibt. Dafür wird es regelmäßig genügen, wenn
Hausgenossen des Anschlussinhabers – wie sein Ehegatte – selbständig auf den
Internetanschluss zugreifen können; mit dieser Begründung hat der Senat der
Beklagten in erster Instanz bereits Prozesskostenhilfe für ihre
Rechtsverteidigung bewilligt (Beschluss vom 24.03.2011 – 6 W 42/11 = MMR 2011,
396 m.w.N.).
Die Klägerin
macht geltend, die Möglichkeit der tatsächlichen Nutzung von
Internetanschlüssen durch mindestens eine weitere Person neben dem Anschlussinhaber
sei der Standardfall, so dass bei Zugrundelegung der Auffassung des Senats die
Vermutung regelmäßig leerlaufe und die Rechteinhaber praktisch rechtlos
gestellt würden. Damit verkennt sie Begründung und Reichweite der in Rede
stehenden Beweiserleichterungen, durch die kein zusätzlicher Tatbestand der
täterschaftlichen Haftung von Internetanschlussinhabern geschaffen oder diesen
die Führung des Negativbeweises aufgebürdet, sondern lediglich den beschränkten
Wahrnehmungsmöglichkeiten der Rechteinhaber Rechnung getragen werden soll.
Nach ihrem
Vorbringen muss es in Fällen der vorliegenden Art sogar bei der sekundären
Darlegungslast des Anschlussinhabers sein Bewenden haben, weil danach schon
kein Erfahrungssatz besteht, dass der Anschlussinhaber seinen Internetzugang
vorwiegend selbst nutzt und kontrolliert, sondern der Standardfall die
selbständige Nutzung durch weitere Personen ist.
bb) Im
Streitfall hat die Beklagte vorgetragen, bis zur Abmahnung der Klägerin weder
das streitbefangene Computerspiel gekannt noch um Software für die Teilnahme an
Internettauschbörsen gewusst zu haben. Ihren Internetanschluss habe außer ihr –
und sogar vorwiegend – ihr Ehemann genutzt, der den angeschlossenen Computer
auch angeschafft und eingerichtet habe. Sie selbst habe sich für die
Möglichkeiten einer Nutzung des Computers und des Internets nicht weiter
interessiert, sondern lediglich Bewerbungen damit geschrieben. Unabhängig von
ihren nachträglich recherchierten Angaben zur (WPA-) Verschlüsselung des
kabellosen (WLAN-) Internetzugangs mit einem individuellen Passwort hat die
Beklagte mit dieser Darlegung die ernsthafte Möglichkeit aufgezeigt, dass die
in Rede stehenden Rechtsverletzungen – und zwar die vom 11.11.2009 ebenso wie
diejenige vom 04.11.2009 – ohne ihr Wissen und ohne ihren Einfluss von ihrem
inzwischen verstorbenen Ehemann im Rahmen seiner eigenständigen Internetnutzung
begangen wurden. Der Sachvortrag ist nicht nur insgesamt anschaulich und
detailreich (genaue Erinnerungen an ihr eigenes Verhalten zu den beiden
fraglichen Tatzeitpunkten waren von der Beklagten füglich nicht zu erwarten),
sondern auch sachlich gut nachvollziehbar und plausibel: Schon die Art des
Computerspiels dürfte eher auf einen männlichen Nutzer hindeuten und die (in
das Wissen des mit ihrem Ehemann befreundeten Zeugen U. gestellte) Darlegung
der Beklagten, dass der Internetanschluss aus wirtschaftlichen Gründen auf
ihren Namen angemeldet, aber überwiegend von ihrem nicht berufstätigen Ehemann
genutzt worden sei, erscheint lebensnah und einleuchtend.
Dass die
Klägerin, die einer Zugriffsmöglichkeit und eventuellen Haftung des
verstorbenen Ehemannes der Beklagten zunächst nicht widersprochen hatte
(Schriftsatz vom 22.09.2010, Seiten 2 und 3), sich nach der Entscheidung des
Senats im Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz zum Zugriff des Ehemanns
auf den Internetanschluss zulässigerweise (§ 138 Abs. 4 ZPO) mit Nichtwissen
erklärt (Schriftsatz vom 13.04.2011, Seite 2) und das Angebot der Beklagten,
zum Beweis den Zeugen U. zu vernehmen, als untauglich zurückgewiesen hat
(Schriftsatz vom 23.02.2012, Seite 2), kann ihr nach Lage der Dinge nicht zum
Prozesserfolg verhelfen. Denn nachdem die Beklagte ihrer sekundären
Darlegungslast genügt hat, war es wiederum Sache der (primär) beweisbelasteten
Klägerin, die plausible Gegendarstellung der Beklagten zu entkräften oder
zusätzliche für ihre Täterschaft sprechende Umstände darzulegen und unter
Beweis zu stellen. Trotz eingehender Erörterung der Beweissituation in
der Berufungsverhandlung hat sich die Klägerin indessen darauf beschränkt, die
von ihr nachgewiesene korrekte Ermittlung des an den Rechtsverletzungen
beteiligten Internetanschlusses zu betonen und zu erklären, dass sie über keine
weiteren Beweismittel verfüge (Schriftsatz vom 10.04.2012, Seite 2), was
erkennbar den Verzicht auf die mögliche Benennung des von der Beklagten namhaft
gemachten Zeugen U. oder der Beklagten selbst (§§ 373, 445 Abs. 1 ZPO)
einschließt.
Keine andere
Beurteilung ergibt sich, wenn an der – mit dem eigenen Vorbringen der Klägerin
schwerlich zu vereinbarenden (vgl. oben zu aa) – tatsächlichen Vermutung einer
täterschaftlichen Verantwortung der beklagten Anschlussinhaberin festgehalten
und angenommen wird, dass diese die für die ernsthafte Möglichkeit eines
anderen Geschehensablaufs sprechenden Umstände nicht nur nachvollziehbar
darlegen, sondern im Falle ihres erheblichen Bestreitens durch den Gegner auch
beweisen muss. Denn solche Umstände stehen hier fest. Unter Berücksichtigung
des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des schriftsätzlichen Vorbringens
der Parteien ist der Senat nämlich von der ernsthaften Möglichkeit einer
Alleintäterschaft des verstorbenen Ehemannes der Beklagten auch ohne Rücksicht
auf mögliche ergänzende Angaben des von ihr benannten Zeugen U. überzeugt (§
286 ZPO). Ausschlaggebend dafür ist die Erwägung, dass die Klägerin ihr
Bestreiten einer eigenen Zugriffsmöglichkeit des Ehemannes nicht näher
begründet hat, obwohl sie naheliegt und das Gegenteil angesichts
unstreitiger Indizien wie der Art des Computerspiels und der Zeitpunkte der zu
Lebzeiten des Ehemannes erfassten Rechtsverletzungen ganz unwahrscheinlich
erscheint.
b) Eine
Haftung der Beklagten als Teilnehmerin einer fremden Haupttat (vgl. §§ 26, 27
StGB, § 830 Abs. 2 BGB) würde neben einer Teilnahmehandlung wenigstens
bedingten Vorsatz in Bezug auf die Haupttat voraussetzen, der das Bewusstsein
der Rechtswidrigkeit einschließen muss (BGHZ 158, 236 [250] = GRUR 2004, 860 =
WRP 2004, 1287 – Internet-Versteigerung I; BGHZ 185, 330 = GRUR 2010, 633 = WPR
2010, 912 [Rn. 16] – Sommer unseres Lebens; BGH, GRUR 2011, 152 = WRP 2011, 223
[Rn. 30] – Kinderhochstühle im Internet). Dies kann nach dem Vorbringen der
Klägerin nicht festgestellt werden.
Selbst wenn die Beklagte – wofür
Anhaltspunkte fehlen – allgemein gewusst und gebilligt hätte, dass ihr Ehemann
den Internetzugang zur Teilnahme an Peer-to-Peer-Netzwerken nutzte, ergab sich
daraus noch nicht, dass sie von den konkret in Rede stehenden
Rechtsverletzungen Kenntnis hatte (vgl. BGHZ 180, 134 = GRUR 2009, 597 = WRP
2009, 730 [Rn. 14] – Halzband, zur Nutzung eines eBay-Kontos durch die
Ehefrau).
c) Entgegen
der Auffassung der Klägerin haftet die Beklagte als Inhaberin des
Internetanschlusses für die streitbefangenen Urheberrechtsverletzungen auch
nicht unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung oder unter dem Gesichtspunkt
des gefahrerhöhenden Verhaltens aus der Verletzung einer Verkehrspflicht.
aa) Als
Störer kann analog § 1004 BGB bei der Verletzung absoluter Rechte auf
Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu
sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des
geschützten Rechts beiträgt (BGH, GRUR 2011, 152 = WRP 2011, 223 [Rn. 45] –
Kinderhochstühle im Internet). Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung
oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten
genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur
Verhinderung dieser Handlung hatte (BGH, GRUR 2004, 438 [442] - Feriendomizil
I).
Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf,
die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben, setzt
die Haftung des Störers nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings
die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten,
voraus. Ob und inwieweit dem Störer als in Anspruch Genommenem eine Prüfung
zuzumuten ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter
Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die
Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst
unmittelbar vorgenommen hat (BGHZ 185, 330 = GRUR 2010, 633 = WPR 2010, 912
[Rn. 19] – Sommer unseres Lebens; GRUR 2011, 1038 = WRP 2011, 1609 [Rn. 20] –
Stiftparfüm; vgl. BGH [V. Zivilsenat], GRUR 2011, 321 [Rn. 15]). Eine
Prüfpflicht kann bereits mit Inbetriebnahme einer technischen Einrichtung
entstehen, setzt dann aber eine schon dadurch eintretende Gefährdung absoluter
Rechtsgüter Dritter voraus (vgl. BGHZ 185, 330 = GRUR 2010, 633 = WPR 2010, 912
[Rn. 24] – Sommer unseres Lebens; BGH [V. Zivilsenat], GRUR 2011, 321 [Rn.
16]).
bb) Im
Verhältnis der Beklagten zu ihrem verstorbenen Ehemann ist hier keine solche
Verletzung zumutbarer Prüfpflichten festzustellen.
Im
Streitfall sind keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die
Beklagte wusste oder annehmen musste, ihr Ehepartner werde über ihren
Internetanschluss Rechtsverletzungen begehen, die sie durch zumutbare Maßnahmen
verhindern konnte. Insbesondere ist nicht feststellbar, dass es auch noch nach
der Abmahnung der Klägerin zu Urheberrechtsverstößen unter Benutzung des
Internetzugangs gekommen ist.
Von einer
anlasslosen zumutbaren Prüf- und Kontrollpflicht der Beklagten gegenüber ihrem
Ehemann ist dagegen nicht auszugehen. Wie der Senat bereits an anderer Stelle
(Beschluss vom 24.03.2011 – 6 W 42/11 = MMR 2011, 396) näher ausgeführt hat,
bestehen im Verhältnis einer Ehefrau als Internetanschlussinhaberin zu ihrem
Ehemann als überwiegendem Nutzer eines solchen Anschlusses keine vergleichbaren
Kontrollpflichten wie im Verhältnis der Eltern zu ihren – insbesondere
minderjährigen – Kindern oder anderen Hausgenossen.
Etwas
anderes folgt auch nicht aus der „Halzband“-Entscheidung des BGH (BGHZ 180, 134
= GRUR 2009, 597 = WRP 2009, 730). Dort ging es darum, dass der beklagte
Ehemann das Passwort zu seinem eBay-Mitgliedskonto nicht unter Verschluss
gehalten, sondern in dem auch seiner Ehefrau zugänglichen Schreibtisch so
verwahrt hatte, dass diese ohne Schwierigkeiten davon Kenntnis nehmen konnte.
Der Bundesgerichtshof hat angenommen, dass er damit seine nach den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen von eBay bestehende Pflicht, die Zugangsdaten so geheimzuhalten,
dass Dritte davon keine Kenntnis erlangen können, in einer Weise verletzt habe,
die seine Haftung für die von seiner Ehefrau möglicherweise unter Verwendung
dieser Daten begangenen Rechtsverletzungen begründen kann (zur vertraglichen
Haftung nach Rechtsscheingrundsätzen, für die es nicht bereits ausreicht, dass
der Kontoinhaber die Zugangsdaten nicht hinreichend vor dem Zugriff des
Handelnden geschützt hat, vgl. BGH [VIII. Zivilsenat], NJW 2011, 2421).
Für die
Überlassung eines Internetanschlusses gelten in Bezug auf die Störerhaftung für
die Verletzung absoluter Rechte jedoch andere Maßstäbe (vgl. BGHZ 185, 330 =
GRUR 2010, 633 = WPR 2010, 912 [Rn. 15] – Sommer unseres Lebens). Denn beide
Konstellationen sind nicht miteinander vergleichbar.

cc) Aus den vorstehenden Erwägungen erhellt zugleich, dass die vom Anschlussinhaber dem Ehepartner eingeräumte Möglichkeit, Telefon oder Internet unbeaufsichtigt für eigene Zwecke – und damit unter Umständen auch für unerlaubte Handlungen – zu nutzen, kein relevantes gefahrerhöhendes Verhalten (Ingerenz) im Sinne einer Verletzung von Verkehrspflichten (vgl. BGHZ 173, 188 [Rn. 22, 36] = GRUR 2007, 890 = WRP 2007, 1173 – Jugendgefährdende Medien bei eBay; BGH, Urteil vom 09.11.2011 – I ZR 150/09 – Basler-Haar-Kosmetik [Rn. 60] m.w.N.) dastellt, die seine Mithaftung begründet.
3. Scheitert
eine Haftung der Beklagten nach alledem schon dem Grunde nach, kommt es auf
ihre mögliche Höhe nicht weiter an.
III.
Die
Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Senat
hat gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zugelassen, weil die Verantwortlichkeit
von Internetanschlussinhabern für eine Verletzung von Urheberrechten durch ihre
Ehegatten höchstrichterlich bisher noch nicht hinreichend geklärt erscheint und
von allgemeiner Bedeutung ist.